Das Brauwasser:

Anforderungen & Wasserhärte

März 13, 2021
Martin Öfele

Martin Öfele

Im einführenden Artikel über das Brauwasser werden folgende Schwerpunkte geklärt:
Allgemeine Anforderungen an das Brauwasser (Trinkwasserverordnung, Ionenzusammensetzung)
✓ Auswirkungen eines ungeeigneten Brauwassers auf den pH-Wert & das Bier
✓ Unterschied zwischen Wasserhärte und Restalkalität

✓ Erstes Fazit für verschiedene Bierstile

Das Brauwasser

Die Bedeutung von Brauwasser für das Bier

Das Wasser stellt mengenmäßig den größten Rohstoffanteil im Bier dar und muss dabei auch den strengsten Qualitätsanforderungen gerecht werden. Nicht nur das Wasser, welches für Reinigungs- und Spülzwecke verwendet wird, sondern gerade jenes unmittelbar im Bier muss stets genauestens kontrolliert werden. Da sich die Qualität des Brauwassers  nicht nur technologisch, sondern auch geschmacklich und sogar farblich auf das Bier auswirkt, kommt der Gewinnung und Aufbereitung des Brauwassers durch den Brauer eine große Bedeutung zu. 

Das Brauwasser: Grundlage für einen erfolgreichen Sud

 In diesem Artikel gehen wir alle essentiellen Basics des Brauwassers durch und schauen uns dabei vor allem die Anforderungen, die Ionenzusammensetzung & deren direkte Auswirkung auf das Bier und den Brauprozess an.
Warum sich verschiedene Bierstile damals u.a. wegen des Brauwassers entwickelt haben, soll ebenfalls erläutert werden.

Anforderungen an das Brauwasser

Als Rohstoff kann das Wasser faktisch niemals konstanter Zusammensetzung sein. Diese Tatsache lässt sich aus dem natürlichen Kreislauf des Wassers erklären, in dem das Wasser u.a. durch natürliche Gesteine gefiltert wird. Dabei nimmt die anwendungsspezifische Aufbereitung schließlich eine wichtige Rolle ein, da, je nach chemischen/geologischen Beschaffenheit des durchsickerten Bodens, sich die Art und Menge der enthaltenen Salze/Ionen drastisch unterscheiden können. Auch andere Stoffe und Organismen können hierbei in das Wasser gelangen, die es zu entfernen gilt. Einfacher gesagt müssen im Endeffekt zwei Anforderungen erfüllt werden, damit geeignetes Brauwasser im Sudhaus vorhanden ist: Die Qualität im Sinne der Trinkwasserverordnung und die Ionenzusammensetzung.

1) Trinkwasserqualität

Einmal muss das Trinkwasser logischerweise im Sinne der Trinkwasserverordnung (TVO) frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein sein. Dafür sollten Kontaminanten und Infektionskeime selbstverständlich entfernt werden. Meistens kommen Filtration, UV-Bestrahlung oder diverse Oxidationsmitteln zum Einsatz. Auch Metalle wie Eisen, Mangan oder Silber müssen u.U. durch Belüftung und anschließender Filtration entfernt werden, was sich sonst negativ auf Geschmack und Farbe auswirken kann. Im Endeffekt müssen Gehalt und Zusammensetzung der im Wasser gelösten Stoffe & Mikroorganismen den Richtlinien der Verordnungen entsprechen, um somit eine lebensmitteltaugliche Grundlage zu schaffen.

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2) Ionenzusammensetzung

Wie bereits erwähnt, sind im Wasser durch den natürlichen Wasserkreislauf stets Salze gelöst. Bei einer solchen Verdünnung muss korrekterweise von dissoziierten Ionen ausgegangen werden. Im Rahmen der Brauwasserthematik ist also noch eine weitere Anforderung absolut wichtig: Nämlich die passende Ionenzusammensetzung. Denn tatsächlich haben die Art und Menge der Ionen im Wasser den größten Einfluss auf die endgültige Bierqualität, weshalb eine Betrachtung des Einflusses der einzelnen Ionen auf den Brauprozess unabdingbar ist.

Brauwasser Ionen
Mengenmäßig & technologisch relevante Ionen in natürlichen Wässern

Dabei regieren eben bestimmte Ionen mit Bestandteilen im Malz (chemisch wirksam), andere eben nicht (chemisch unwirksam), wobei diese zumindest geschmacklich und in späteren Teilen der Bierherstellung (z.B. Gärung) wichtig sein können. Der nächste Schritt ist es nun die Reaktionen der chemisch wirksamen Ionen, die daraus folgende Änderung des pH-Wertes und somit deren Wirkung auf den Brauprozess anzuschauen.    

Auswirkungen der Ionen: Die pH-Verschiebung durch das Brauwasser

Die Bierqualität wird maßgeblich und in erster Linie durch den pH-Wert (auch H+-Ionen Konzentration) beim Maischen beeinflusst. Alle Enzyme sind nun mal auf ein bestimmtes pH-Spektrum angewiesen und können nur in diesem auch optimal arbeiten. Jede Verschiebung des pH-Wertes kann die Enzymarbeit beim Maischen maßgeblich behindern und die Qualität des Bieres beeinflussen.
Beeinflusst werden dabei:

- Aktivitäten der Malzenzyme

- Lösung von farbgebenden Stoffen

- Lösung von Polyphenolen

- Lösung von Hopfeninhaltsstoffen

Diese chemisch wirksamen Ionen, die tatsächliche eine Verschiebung des pH-Wertes bewirken, können wie folgt unterteilt werden:
a) „säurevernichtend„: organische Säuren und sogar H+ Ionen des Malzes werden neutralisiert (z.B. HCO3Ionen)
b) „säurefördernd“: Malzinhaltsstoffe (Phosphatverbindungen) werden umgesetzt und Säure wird frei
(z.B. Ca2+ und Mg2+-Ionen)
Bevor wir hierbei auf die Wasserhärte, Restalkalität und die wichtigen Zahlen & Reaktionen der Ionen eingehen, lohnt sich ein Blick auf die Folgen eines zu hohen pH-Wertes durch eine ungünstige Ionenzusammensetzung.  

Brauwasser Exkurs

Folgen eines zu hohen pH-Wertes im Brauprozess

Die meisten Vorgänge in der Bierherstellung (Enzymereaktionen beim Maischen) verlaufen größtenteils in einem sauren Bereich besser bzw. schneller, was eben durch die größtenteils sauren pH-Optima der Enzyme erklären lässt. Welche Folgen die Herabsetzung der Acidität durch eine zu hohe Restalkalität (dazu später mehr) und somit zu hoher pH-Werte sind, zeigen folgende Punkte:

Brauwasser Enzyme
Die meisten Maischeenzyme bevorzugen niedrige pH-Werte. Meist eben um den Maische-pH herum (5.6, ungesäuert) oder eher tiefer.

1) Maischen

Maischen

Stärkeabbau, Eiweißabbau, Gummistoffabbau (Beta-Glucan und Pentosane) und somit auch die Sudhausausbeute sind direkt betroffen

Bild: DBB, Berlin

ungünstiger Stärkeabbau aufgrund des sauren pH-Optimums der a­ und ß-Amylase und somit auch schlechtere Endvergärungsgrade (Menge an vergärbarem Extrakt des Gesamtextraktes)

ungünstiger Eiweißabbau durch Verschlechterung jeweiliger Endo- und Exopeptidasen und somit u.U. ungünstige Eiweißlösungsgrade und somit auch zu wenig Aminosäuren (Hefenahrung!)

ungünstiger Gummistoffabbau durch entsprechende Glucanasen und somit u.U. leicht schlechtere Läuter- und Filtrationsperformance  
– alles in allem kann sich die Sudhausausbeute, u.U. um ca. 1-3 %, bei einer tatsächlich schlechteren Enzymleistung insgesamt verschlechtern

2) Würzekochung

– höhere pH-Werte beim Kochen bewirken eine weitaus schlechtere Eiweißausscheidung Grund dafür ist, dass der sich der „isoelektrische Punkt“ bei etwas sauren pH-Werten befindet (knapp unter 5,0). Bei fehlender Gesamtladung scheiden sich die Proteine leichter raus. Mögliche Folgen:aufgrund des sauren pH-Optimum der a­ und ß-Amylase und somit auch schlechtere Endvergärungsgrade (Menge an vergärbarem Extrakt des Gesamtextraktes)
⇒ Verschmieren der Hefe = niedriger Endvergärungsgrad
⇒ Eiweißbittere
⇒ Würze lässt Glanz & Feinheit vermissen  

Würzekochung

mangelhafte Eiweißausscheidung, dunklere Farben und

Bild: GEA Brewery Systems GmbH

– Die vorhin erwähnte besser Lösung der Malz- und Hopfengerbstoffe lassen ziemlich schnell eine dunklerer Würze- und Bierfarben zum Vorschein bringen. Nicht nur geschmacklich (unfeine kratzige Bittere), sondern auch farblich für bestimmte Bierstile wie das Helle alles andere als zielführend.

– Auch Hopfenbitterstoffe (α-Säure) vermögen sich in höheren pH-Werten besser in der Würze zu lösen, was u.U. eine besser „Bitter-Ausbeute“ bedeutet. Praktisch könnte man meinen. Tatsächlich wirkt sich dies derbe & kratzig auf die Bittere aus. Die Hopfengabe sollte also je nach Gewässer (dazu später mehr) angepasst und korrigiert werden.    

3) Gärung

Gärung

Stärkeabbau, Eiweißabbau, Gummistoffabbau (Beta-Glucan und Pentosane) und somit auch die Sudhausausbeute sind direkt betroffen

Bild: DBB, Berlin

– Nicht nur das Verschmieren durch eine mangelnde Eiweißfällung, auch durch den möglichen Mangel an Aminosäuren in der Würze (schlechtere Enzymaktivität beim Masichen) kann die Hefe bei entsprechend „schlechtem Malz“ ins Stocken geraten. Die  Hefeaktivität und -vitalität stagnieren und dezimieren sich ggf.
⇒ Der Endvergärungsgrad fällt schließlich schlechter aus
⇒ unerwünschte Gärnebenprodukte beeinflussen das Aroma
⇒ erwartete Alkoholwerte können u.U. nicht oder nur mit längerer Gärzeit erreicht werden

– Durch ein insgesamt mangelhaftes Ausscheiden von Eiweiß & Gerbstoffen in Form von Trub und Geläger kann zu einer unbefriedigenden Zusammensetzung des fertigen Bieres führen: Aussehen & Geschmack erreichen u.U. nicht die erwünschte „Feinheit“, wie es von manchem Bierstil kundenseitig erwartet wird

Entscheidend: Die Gesamthärte von Brauwasser

I. Definition

Die Gesamthärte eines Wassers ist eine zahlenmäßige und überaus entscheidende Charakterisierung des Wassers und ist nichts anderes als die Summe aller im Wasser gelösten Erdalkalimetalle. Genau genommen werden dabei einfach nur die Calcium– und Magnesium-Ionen berücksichtigt. Alle anderen (Beryllium, Strontium, Barium, Radium) spielen praktisch kaum eine Rolle.
Die Gesamthärte (GH) bilden somit alle Calcium- und Magnesiumionen angegeben in mg/l CaO oder MgO bzw. in Grad deutscher Härte (°dH). Die Gesamthärte lässt sich also über den Calcium-und Magnesiumanteil in eine Calciumhärte (CaH) und Magnesiumhärte (MgH) untergliedern.Wie eine genaue Einteilung in die einzelnen Härtegrade aussieht, welche EInheiten & Rechnungen dahinterstecken, das schauen wir uns in einem separaten Artikel an.

II. Carbonat- und Nichtcarbonathärte

Nun haben wir die Härte des Wassers definiert. In diesem Rahmen können auch bestimmte Kategorien wie „weich“ oder „mittelhart“ zur Kategorisierung herangezogen werden. Dies reicht für eine zielführende technologische Kennzeichnung noch nicht. Eine entscheidende Unterteilung der Wässer ist nötig. Immerhin: Zur Menge der Erdalkali-Ionen (Mg2+, Ca2+) kommt logischerweise eine äquivalente Menge an Hydrogencarbonationen (HCO3) und anderen Anionen (Chlorid, Sulfat …) hinzu.

Einteilung des Wassers in: Gesamthärte // Carbonathärte (KH) // Nichtcarbonathärte (NKH)

a) Carbonathärte

Der Anteil der Erdalkalimetallionen, der mit Hydrogencarbonationen (HCO3) verbunden ist, wird als Carbonathärte (KH) bezeichnet. Diese werden als oft temporäre Härte bezeichnet, da beim Erhitzen einer schwerer lösliche Erdalkalicarbonate ausfallen und sich die Härte somit verringert.

Diese Carbonathärte ist es jedoch, die „säurevernichtend“ (s.o.) auf die Maische wirkt und die bereits erwähnte pH-Verschiebung in den Bereich ungünstig erhöhter Alkalität hervorruft. Folge davon: Die oben erläuterten Begleiterscheinungen. Dabei reagieren Sie direkt mit anderen Säuregruppen in der Maische bzw. auch mit freien H+-Ionen und neutralisieren deren saure Wirkung

Die säurevernichtende Wirkung von Carbonat-Ionen:
a) Reaktion mit H+ Ionen
b) Reaktion direkt mit den organischen Säuren im Malz

b) Nichtcarbonathärte

Noch einmal als Übersicht: Die Gesamthärte
a) aus KH + NKH
b) aus CaH + MgH

Die mit den übrigen Anionen verbundenen Erdalkali-Ionen werden Nichtcarbonathärte (NKH) genannt. Diese „permanente“ Härte (speziell Calcium) reagiert mit den Hydrogenphosphaten der Maische, setzt dabei H+-Ionen frei und ist deshalb auch „säurefördernd“ (s.o.) und somit auch erwünscht.

 Aber am Ende des Tages werden verschiedene Wässer in Bezug auf die Gesamthärte nicht nur durch die Calcium- und Magnesiumhärte unterteilt, sondern eben (viel wichtiger) in Carbonat- und Nicht-Carbonat Härte. Dieses Wissen führt uns schließlich zur wichtigsten Kennzahl des Brauwassers: Die Restalkalität. Nur Sie gibt dem Brauer schließlich den Hinweis auf den Einfluss des Wassers auf den pH der Maische. Dazu aber jetzt mehr:

Noch entscheidender: Die Restalkalität von Brauwasser

I. Definition

Sowohl das Dortmunder als auch das Münchner Wasser sind „hart“. Das Dortmunder Wasser hat mit knapp 41 °dH sogar eine weitaus höhere Wasserhärte als das Münchner mit ca. 15 °dH. Dennoch wirkt sich das Dortmunder nicht wirklich stark auf den pH-Wert der Maische aus, weshalb auch früher schon hellere Biere gelangen. Wie kann das sein?
Wie bereits erwähnt, sagt die Gesamthärte zunächst mal nur etwas über den Ionengehalt aus, nicht jedoch über den Einfluss auf die Maische. Vielmehr charakterisiert nur die Restalkalität das Brauwasser hinsichtlich seiner Einflüsse auf den pH-Wert der Biermaische und ist somit die wichtigste Kennzahl für den Brauer über das Brauwasser.

Die Restalkalität beschreibt, was von der "säurevernichtenden" Wirkung der Carbonat-Ionen übrig bleibt. 3,5 (Ca) bzw. 7 (Mg)Äquivalente sind nötig, um die Alkalität eines Äquivalents Hydrogencarbonat auszugleichen

Sie stellt die säurevernichtenden Ionen (Carbonathärte: HCO3) den säurefördernden Ionen (Nicht-Carbonathärte: Mg2+, Ca2+) gegenüber.
Sie ist einfacher gesagt die Differenz zwischen KH und NKH und beschreibt, was von der säurevernichtenden Wirkung der Carbonate (=Alkalität) noch übrigbleibt, nachdem alle Ca2+ und Mg2+-Ionen entsprechend „Säure“ (H+) freigesetzt haben.
Erst die Restalkalität charakterisiert somit das Brauwasser endgültig hinsichtlich seiner Einflüsse auf den pH-Wert des Bieres und somit auf den Brauerfolg am Ende. In der Formel wird vorausgesetzt, dass rund 3,5 Äquivalente Calcium nötig sind, um die säurevernichtende Wirkung eines Äquivalents Hydrogencarbonat zu neutralisieren.

II. Empfehlungen für Bierstile

Da der Brauer (normalerweise) für seine Maische einen niedrigen pH-Wert anstrebt (s.o.), benötigt er dementsprechend ein Brauwasser mit niedriger Restalkalität. Zum Vergleich: Destilliertes Wasser hätte eine RA von 0°dH.
Wenn man sich allein die Farbentwicklung durch die Restalkalität anschaut, können folgende Zielwerte für bestimmte Bierstile gesetzt werden:

Preview: Die Aufbereitung des Brauwassers (EUWA)

Im Sinne der Verwendung von harten Wässern für helle Qualitätsbiere werden eigentlich ungeeignete Brauwässer (z.B. Münchner) entsalzt und entcarboniert werden. Auch mikrobiologisch (Kontaminanten und Infektionskeime) ist eine Nachbehandlung möglich, wobei uns für beide Ansprüche mehrere Methoden zur Verfügung stehen. Diese gehen wir zusammen mit der Firma EUWA in einem separaten Artikel durch und klären alle technologischen Empfehlungen & Fakten für Brauereien. Auch allg. Zahlen, bierstilspezifische Infos und Rechnungen werden in den nächsten Artikeln thematisiert, angepasst für Brauereien.

Zum Nachschlagen

Literatur

Kunze: Technologie Brauer & Mälzer

2011, 10. Auflage, VLB, Berlin, S. 88 - 93

Hoinkis J.: Chemie für Ingenieure

2016, 14. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 132

Narziß L.: Abriss der Bierbrauerei

2017, 8. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 369 - 372

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