Martin Öfele
Im heutigen Artikel über das Bayrisch Dunkel werden folgende Schwerpunkte geklärt:
✓ Geschichte & Entstehung des bayerischen Dunkel
✓ Gemeinsamkeiten & Unterschiede zur böhmischen Variante
✓ Qualitätskriterien / Praxis
Da ist es: Unser Bayrisch Dunkel
Urig, klassisch, dunkel: Ein Traum eines jeden Bayer!
Immerhin: Das Bayrisch Dunkel war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wohl das „Standardbier“ schlechthin in München und Umgebung, bevor das Helle den Markt für sich eroberte. Auch wenn es (leider) nicht mehr in jedermanns Munde ist, das Dunkle ist und bleibt bayerische Geschichte und eine malzige Abwechslung zu unserem allbekanntem Hellen. Malz, Bayern und Geschichte: All das werden wir heute nutzen, um zu lüften, was hinter dem dunklen Bierklassiker steckt.
Bavarias ganzer Stolz: Die älteste Biersorte der Welt?
Wer sich schon etwas besser beim Hellen auskennt, weiß, dass dieses Alltags-Bier eigentlich fast schon eine Bierneuheit ist. Wie gesagt, erst ab dem späten 19. Jahrhundert war das helle Lagerbier, auch Helles, in den Biergärten Bayerns überhaupt üblich, um dort als passende Bier-Erfrischung an heißen Sommertagen zu dienen. Für unser geliebtes Dunkel müssen wir da jedoch ein bisschen weiter zurückgehen. Und ganz ganz früher hieß das bayrisch Dunkel sogar Rotbier, um es vom damaligen Weissbier zu unterscheiden. Das war mit der Erfindung des hellen Bieres hinfällig – hell und dunkel war anscheinend eine angemessenere Namensgebung. Jetzt aber nochmal alles genauer:
Historisch gesehen kann das Bayrisch Dunkle unter Umständen als älteste Biersorte der Welt betrachtet werden. Zumindest, wenn man beim Begriff „Sorte“ eine mehr oder weniger konstant bleibende Rezeptur postuliert. Da die Rezeptur unseres Dunklen sich tatsächlich mit Abstand am längsten gehalten hat, kann diesem Bierstil also sehr wohl der Titel der „ältesten Biersorte“ nachgesagt werden, weshalb wir diese Werbung gerne weiterführen würden.
Aber wie konnte sich dieses Bier so lange halten? Und warum ausgerechnet dunkel? Zwei berühmte feudale Regelungen trugen dazu bei: 1516 wurde ja von Wilhelm IV. und Ludwig X. das allbekannte Reinheitsgebot ausgerufen. So waren zumindest die Zutaten relativ begrenzt: Malz, Wasser und Hopfen. Punkt. Als auch 1553 das Sommerbrauverbot kam, war die Standardisierung zu einem „Bayrischen Urbier“ gesichert. Mit den heutigen mikrobiologischen Kenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass damals zunehmende Infektionsrisiken im Sommer Anlass dieser Regelung sein dürften. Gebraut wurde also nur noch zwischen dem Michaelistag (29. September) und dem Georgitag (23. April). Da fühlt sich ja bekanntermaßen die untergärige Hefe wohler als die bis dahin noch übliche obergärige. Man muss ebenfalls dazu sagen, dass alle Malzdarren damals noch direkt befeuert wurden. Somit waren ohnehin schon fast alle verwendeten Malzsorten leicht rauchig und dunkel.
Exkurs: Untergäriger Biergenuss im Dunklen & Entdeckung der Hefe
Die Entdeckung der Hefe
Da wir ja beriets die Begriffe ober– und untergärig verwendet haben, hier eine kleine Ergänzung: Diese Unterscheidung war damals in keiner Weise bekannt! Tatsächlich gab es beim Sommerbrauverbot eine „Geschmacksänderung“, was nicht nur an der geringeren Menge an Gärnebenprodukten bei untergärigen Hefezellen liegen mag. Jedoch war die Ursache dieses Geschmackunterschiedes damals noch nicht bekannt (mehr zu den Unterschieden zwischen ober– und untergärig in einem separaten Artikel). Zwar konnte damals der holländische Wissenschaftler Antonio van Leeuwenhoek 1680 mit einer selbstgebauten Glaslinse (ca. 150 fache Vergrößerung) erste „kugelige Gebilde“ im gärenden Bier nachweisen, jedoch mangelte es an einer wissenschaftlich fundierten Erklärung.
Erst in der von Charles Cagniard de la Tour 1838 erschienenen Publikation mit der Überschrift „Abhandlungen über die weinige Gärung“ konnte eindeutig bewiesen werden, dass sich die Hefe als Organismus vermehrt und Ursache für die Gärung ist. Somit war die mikrobiologische Sichtweise & Identifikation der Hefe (geschweige denn einer untergärigen Hefe) noch ein unbekanntes Phänomen, aber dennoch Ursache eines, für damalige Verhältnisse, „reinen“ Biergenusses.
Die Geburt & Vorteile des Bayrisch Dunkel in München
Untergärig, dunkel und malzig. Damit waren alle Maßstäbe für ein bayrisches Dunkel gesetzt und haben bis heute noch Bestand! So gut unser bayrisch Dunkel auch ist, der langzeitige Bestand des urigen Bieres hatte auch praktische Gründe: Das Münchner Wasser ist bekanntlich ein sehr hartes Wasser, genauer gesagt ein Wasser mit hoher Karbonathärte (Stichwort: Alpennähe!). Das stört beim Brauen allerdings (sogar sehr), da unter Umständen der Würze-pH in die Höhe schießen und somit die Sudhausausbeute aufgrund der schwächeren Enzymreaktionen verringert werden kann. Da damals natürlich die Wasseraufbereitungsmöglichkeiten leider noch nicht wirklich bekannt waren, musste das dunkle Malz nachhelfen. Die erhöhte Menge an Melanoidinen aus dem verlängerten Darr-Prozess (deshalb auch dunkel) wirken diesem Problem größtenteils entgegen.
Ein sehr aromatisches Bier ist es allemal, weshalb es sich selbstverständlich nach wie vor in Biergläser und Krüge wiederfindet.
Das Bayrisch Dunkel: Was braucht´s dazu?
Ähnlich wie beim Hellen ist ein gelungener Sud eines gut gebrauten bairischen Dunklen alles andere als trivial. Tatsächlich hat es das Dunkle in sich, denn um ein wirklich authentisches dunkles Lager zu brauen, bedarf es einiges an Können, denn die Anforderungen an Farbe und Geschmack liegen weit oben. Ein sattes, dunkles Bier ohne brenzlige und aufdringliche Röstnoten sollte es sein. Alles andere ist (zumindest für einen angenehmen Biergenuss) nicht erwünscht.
Mit einem durchschnittlichen Alkoholgehalt von ca. 5 – 5,2 Vol.% und einer durchschnittlichen Stammwürze um die 11 – 12,5 % ist das untergärige Dunkel ein klassisches deutsches Lagerbier, jedoch etwas stärker und ausdruckskräftiges als sein heller Bruder. Ein dunkles, klares Bier, mit aussagekräftigen Malznoten aber dennoch süffigem Charakter. Eine schöne weiße Schaumkrone für einen traumhaften Kontrast und eine milde Bittere im Antrunk: so geht bayrischer Genuss.
Malzschüttung
Gerade die Malzschüttung ist hierbei die wichtigste Stellschraube im ganzen Procedere. Um schließlich ein Bier mit, je nach Tradition, 40 bis 70 EBC (München vs. Kulmbach) und gleichzeitig wenig aufdringlichen Röstnoten zu bekommen, sind gewisse Sachen zu beachten. Dunkel, aber nicht brenzlig. In diesem Sinne sollte der Brauer bei der Verwendung von Farbmalzen vorsichtig sein. Eine hervorragende Lösung dieses Dilemmas ist, neben der Verwendung von Münchner hell (15 EBC) & Münchner dunkel (25 EBC) als Grundlage, die Zugabe dunkler Karamellmalze (z.B. CaraMünch Typ III) und entspelzten Röstmalzen. Schließlich kann durch das energiesparende Infusionsverfahren gemaischt werden, wobei ein Dreimaischverfahren sogar ebenfalls noch üblich ist und sich für so ein malzkräftiges Bier gut anbietet. Man muss hierbei erwähnen, dass für dunkle Biere bis in die Spitzen gut gelöstes Malz mit hohem Eiweißgehalt gefordert ist, je nachdem wie hoch der Anteil an dunklen Malzsorten eben ist (Stichwort: benötigte Enzymaktivität für das Maischen und Maillardreaktionen beim Mälzen).
Die Arbeit ist es aber am Ende auf alle Fälle wert!
Hopfengabe
Mit 18 bis 25 BE sollte das Dunkel überhaupt nicht aufdringlich bitter sein. Bei der Hopfengabe gilt also: weniger ist mehr! Immerhin sollte das Malz den Ton angeben, wobei der Hopfen nur angenehm im Hintergrund agieren soll, um eine milde Bittere mit dennoch harmonischem Hopfenaroma zu bewerkstelligen. Eine Kombination aus Bitterhopfen (z.B. Tradition, 120 g/hl) und Aromahopfen (z.B. Mittelfrüh, 90 g/hl) eignet sich hierfür ideal. Auch eine späte Gabe an geringen Mengen an Flavor-Hops wäre denkbar. Eine saubere Balance zwischen dezenten bitteren Noten und kräftigem Malzcharakter sollte also in jedem Fall sichergestellt werden und somit einen ausgewogenen Malzcharakter fördern.
Hefe & Gärführung
Die Hefe ist beim dunklen Lagerbier wie erwartet untergärig. Einzeller also, durch diese die Kohlensäure bei der Gärung „hochschwimmen“ kann, während sich die Hefezellen unten absetzen (dazu jedoch in einem separaten Artikel mehr). Durch die langsame und kühle Gärung werden weitaus weniger Gärnebenprodukte produziert. Eine lange, aber „schonende“ Gärung, welche ein sehr angenehmes Bier ohne Ecken und Kanten verspricht. Also genau richtig für unseren dunklen Klassiker, bei dem immerhin das Malz der sensorische Fokus sein sollte. Auch Diacetylnoten („buttrig“) sind im Gegensatz zur böhmischen Variante (dazu aber gleich mehr) auf garkeinen Fall erwünscht. Sauber & dunkel, nur so wird’s am Ende auch ein gelungenes bayrisches Dunkles. Nicht einfach, aber lohnenswert.
Wie gesagt, all dieser Aufwand macht sich bezahlt, denn am Ende hat man idealerweise seine edle und dunkle Bierkreation: Ein malzig-frisches Meisterwerk bester Braukunst, welches sich durch seine besondere Reinheit in Geschmack und Farbe auszeichnet. Perfekt für eine urige Brotzeit im Biergarten.
Wirklich nur Bayern? Hier die böhmische Variante des Bayrisch Dunkel
Bayern, Bayern und noch mehr Bayern. Auch wenn man es meinen könnte, san die Bayern nicht alleine mit ihrer dunklen Bierköstlichkeit. Das böhmische untergärige Dunkel geht sogar ins späte 15. Jahrhundert zurück und zeichnete sich durch seine leichte Karamellsüße und vor allem einer stärkeren Hopfenbetonung aus (wie soll’s in Böhmen auch sonst sein). Somit ein hervorragender Ausgleich zu den leicht brenzligen Röstnoten. In den alten Zeiten waren auch leicht säuerliche Geschmacksnoten üblich, da in offenen Gärbottichen vergoren wurde und teils Milchsäure durch Lactobacillus Bestandteil des Bieres war. Dies ist heutzutage natürlich nicht mehr Stand der Technik, wobei sich nach wie vor einzelne Craftbeer-Brauer finden, die diese „ältere Technik“ für Ihre Biere nutzen. Die Hefe dieser dunklen Variante ist eine typisch tschechische Pils-Hefe, wobei auch (für untergärige Verhältnisse) durch leicht erhöhte Gärtemperaturen (erhöhtes Hefewachstum) in Kombination mit einem niedrigeren FAN-Gehalt der Gehalt an Diacetylnoten (buttrig) im Bier auf ein gewünschtes Konzentrationsniveau erhöht werden kann. Vollmundig, hopfenaromatisch, malzig und buttrig: genau richtig für den böhmischen Biertrinker.
Als malzige Alternative zum Hellen gewinnt das Dunkle aus Bayern auch nördlich des Weißwurst-Äquators zunehmend an Beliebtheit. Zurecht! Ein Bier mit solch anspruchsvoller Braukunst, welches sich mit einem angenehmen und aussagekräftigem Malzgeschmack dennoch auszahlt.
Als kleiner Reminder: Oft basiert die Malzschüttung eben auf verschiedene Varianten von Münchner Malzsorten mit einem möglichen Zusatz von dunklen Spezialmalzen. Auch ein Zugabe geringer Mengen (!) an dunklen Farbmalzen zu einem hellen Pilsner Grundmalz ist eine beliebte Methodik, an die sich viele Brauer halten, wobei die Dosierung der Farbmalze mit Vorsicht zu genießen ist, wenn brenzlige Noten unerwünscht sind.
Zum Nachschlagen
Literatur
Dornbusch H.: Biersorten der Brauwelt
2016, 2. Auflage, Verlag Hans Carl. Nürnberg, S. 116 - 121
Dornbusch H.: Lexikon der Biersorten
2017, 1. Auflage, Verlag Hans Carl. Nürnberg, S. 93 f.
Narziß L.: Abriss der Bierbrauerei
2017, 8. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 401 f.
Hopfenhelden
https://www.hopfenhelden.de/muenchner-ur-dunkel/
Kunze: Technologie Brauer & Mälzer
2011, 10. Auflage, VLB, Berlin, S. 210 und S. 883
Raupach: Bier: Geschichte und Genuss
2017, Elsengold Verlag, S. 210 und S. 883
Annemüller: Die Hefe in der Brauerei
2014, 3. Auflage, VLB Berlin, S. 19 - 23
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