Martin Öfele
Im heutigen Artikel über unseren edlen Hopfen werden folgende Schwerpunkte geklärt:
✓ Botanik & Aufbau
✓ Ernte, Haltbarmachung & Lagerung
✓ Braueigenschaften (Vorteile des Hopfens im Brauprozess, wertgebende Substanzen, …)
Unser Hopfen: Großer Hype & viel zu bieten
Seit geraumer Zeit hat sich im Themenbereich „Hopfen“ viel getan. Sogar sehr viel. Hopfen, Hopfen und noch mehr Hopfen. Spätestens auf der BrauBeviale dürfte einem schnell aufgefallen sein, wie stark sich die heutige Craftbeer-Szene entwickelt hat. Aber immerhin: Schon im 9. Jahrhundert wurde er in der Gegend um Weihenstephan erstmals erwähnt. Dass Hopfen also fast schon unverzichtbar für den Brauprozess ist, steht außer Frage und wusste man damals schon. Nicht ohne Grund konnte sich diese Kult-Pflanze einen festen Stammplatz im Reinheitsgebot von 1516 sichern. Aber warum? Was steckt überhaupt alles hinter dem Hopfen? Warum ist das Brauen ohne ihn unvorstellbar? Wie es der Hopfen also zum essentiellen Bestandteil der Bierherstellung geschafft hat und welche brautechnologischen Aspekte dieser Pflanze es zu beachten gibt, das wollen wir entlüften. Hier klären wir erstmal alles rund um die Botanik & Ernte, allg. Eigenschaften und geben schon mal erste Einblicke in die wertgebenden Substanzen des „Braugewächses“, bevor wir uns in separaten Artikeln um die verschiedenen Hopfensorten, Hopfenprodukte, deren genaue Zugabe beim Brauen und anlagentechnische Praxis kümmern. Auch die wertgebenden Stoffe im Hopfen werden wir noch einmal separat durchgehen. Viel zu bieten hat der Hopfen also allemal!
Warum braucht unser Bier überhaupt Hopfen?
Der Ursprung des Ganzen war eigentlich recht simpel: Auch damals hatte Bier mit gerademal 3-5 Vol. % im Vergleich zum Wein wenig Alkohol., was ist das schon? Zudem war die ganze Angelegenheit auch etwas fad, denn eine reine Würze mit anschließender Gärung ist dann doch etwas zu unspektakulär. Alles in allem eine etwas langweilige „Brühe“, die zwar mikrobiologisch (mehr oder weniger) etwas haltbar war, jedoch weder süffig noch angenehm im Geschmack war. Eine Lösung sollte her und so kamen viel Brauer schließlich auf die Idee, nach dubiosen Hilfsmitteln zu greifen: Blätter von Bäumen, Baumrinde, Zimt, Kräuter und zum Teil auch absurde Zutaten wie Gallenblasen sollen (um Gottes Willen) schon im Sudkessel gelandet sein.
Dass das Ganze zum Teil im Geschmack gewöhnungsbedürftig oder u.U. auch giftig war, bleibt außer Frage. Nachdem im 11. Jahrhundert Hildegard von Bingen den Hopfen erstmals als Heil- und Nutzpflanze für Getränke erwähnte, wurde aus dem wilden Hopfen schließlich eine Kulturpflanze. Von da an machte man sich diese „Wunderpflanze“ für sein Bier zu Nutze.
Was wir dem Hopfen tatsächlich zu verdanken haben:
✓ den angenehmen bitteren Geschmack, den wir alle so am Bier schätzen
✓ eine längere Haltbarkeit,
✓ ein angenehmes, zum Teil ausgefallenes Aroma
✓ oder einwandfreie Bierschaumeigenschaften.
Auch durch eine geförderte Eiweißfällung trägt der Hopfen zur Klärung der Würze bei. Viele positive Braueigenschaften, die den Hopfen mittlerweile so unersetzbar für das Brauwesen macht. Gerade züchterische Eigenschaften, die zum Teil sehr ausgefallene Aromaprofile zulassen, machen die Sache für die Craftbeer-Szene noch interessanter. Holzig aromatisch, süße Früchte, ja sogar Sahne Karamell findet sich im Aromaspektrum der Hopfensorten wieder. Aromatechnisch also viel zu bieten, dazu aber in einem separaten Artikel mehr. Alles in allem sehr positive Braueigenschaften, weshalb sich der Hopfen seinen Titel als essentielle Brauzutat verdient hat.
Die Hopfen Pflanze: Botanik & weitere Anwendung
Die Kletterpflanze
Ein bisschen Botanik muss natürlich auch sein, denn immerhin wollen wir verstehen, woher die wertgebenden Stoffe überhaupt genau herkommen. Der Hopfen ist eine mehrjährige (bis zu 20 Jahre) Kletterpflanze aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Natürlich ist der Hopfen sowohl in der männlichen als auch weiblichen Variante vorhanden (zweihäusig), wobei so wirklich relevant für unser Bier jedoch nur die weibliche Form ist, da nur sie sogenannte Lupulindrüsen besitzt, die auch gewünschte wertgebende Stoffe produziert (dazu später mehr). Männlicher Hopfen findet lediglich in der Kreuzungszüchtung Verwendung, um überhaupt das bereits erwähnte Aromaspektrum abdecken zu können.
Außer dem Bier findet der Hopfen aber auch Verwendung in der Pharmazie. Schlaffördernd, beruhigend, desinfizierend und stoffwechselfördernd soll die ganze Hopfen-Geschichte sogar sein. Aber zurück zum Bier:
Von der Pflanze benötigt man am Ende schließlich nur die getrockneten Blütenzapfen der weiblichen Hopfenpflanze, die entweder in Form von Naturhopfen oder anderen diversen Hopfenprodukten (Pellets, Extrakte, …) in den Braukessel landen. Wie die wertgebenden Hopfendolden aufgebaut sind, wie der Weg von der Ernte zur Brauerei ausschaut und wie der Hopfen nach der Ernte verarbeitet werden muss, das möchten wir etwas genauer erklären. Auch den „perfekten“ Erntezeitpunkt möchten wir kurz thematisieren. Eine Wissenschaft für sich…
Das Herz des Hopfens: Aufbau der Dolde
Als zweihäusige Pflanze werden im Anbau lediglich die weiblichen Pflanzen kultiviert. Diese tragen ab dem zweiten Jahr Ihre Blütenstände: Die Hopfendolden. Diese sind für den Brauer der entscheidende Bestandteil der Pflanze und verleihen dem Bier erst die gewünschten Eigenschaften, genauer gesagt die in den Dolden enthaltenden wertgebende Substanzen, wie die Bitterstoffe oder die Hopfenöle. Für das weitere Verständnis der Inhaltsstoffe soll die nebenstehende Abblidung den Aufbau einer solchen Hopfendolde graphisch beschreiben.
– Die gelbgrünen Deckblätter sind Zapfenförmig angeordnet und bilden die ansehnliche, äußere Struktur.
– Die Spindel ist die zickzackförmig gebogene Achse und formt den Innenraum der Dolde.
– Das Lupulin ist das klebrig gelbe Pulver, welches sich in den Vorblättern befindet. Diese, zwischen Spindel und Deckblätter befindlichen, „Becherdrüsen“ (Lupulinkörner) enthalten das Sekret, welches Träger für die brau-wertvollsten Bestandteile ist: Die Hopfenöle, die Hopfenbitterstoffe und einen Teil der Hopfengerbstoffe. Das Lupulin bildet also das Herz der ganzen Hopfenthematik und sollte unter allen Umständen vor Alterung (Käsearoma!) und mechanischen Kräften (Membran des Bechers bricht ab) geschützt werden. Zweites sollte in jedem Fall bei der Lagerung der Dolden beachtet werden, weshalb von zu starken Pressdrücken zur Verpackung als Ballen abgeraten wird, um das Lupulin entsprechend zu erhalten.
Der perfekte Zeitpunkt macht´s aus: Anbau & Ernte des Hopfens
Hopfen wachsen zwischen 35°und 55° Breitengrad, wobei Deutschland und die USA die größten Hopfenanbauländer darstellen. Wer auch sonst. Im Wärmebedarf liegen wir hierbei irgendwo zwischen Wein und Weizen. Nach dem anfänglichen „Aufdecken“ im März (überflüssige Knospen und Triebe werden entfernt) und dem „Anleiten“ im Mai (2-3 Triebe werden an einen Draht angelegt und auf eine Höhe von 1 m gebracht) kommt im Juli schließlich die lang ersehnte „Blüte“. Die Hopfendolden bzw. Zapfen erblühen in voller Pracht und können, je nach Hopfensorte, Ende August bis Anfang Oktober geerntet werden. Dabei wird ca. 30 cm über den Wurzelstock geschnitten. Niederschlagreiche Sommer und ausreichend Sonneneinstrahlung werden natürlich vorausgesetzt und zur Vermeidung von Mindererträgen und Mangel an Inhaltsstoffen (vor allem Bittertsoffe: α-Säuren) absolut notwendig.
Der "perfekete" Erntezeitpunkt des Hopfens?
Das Thema Erntezeitpunkt ist tatsächlich eine Wissenschaft für sich. Fakt ist, dass die Gesamtintensität des Hopfenaromas erheblich von dem Zeitpunkt der Hopfenernte beeinflusst wird. Wie man trotzdem konstant Qualität liefern kann, das ist am Ende des Tages die Kunst. Zum Beispiel fand man heraus, dass mit zunehmender Reife die Intensität des Zitrus-Aromas anstieg. Aus diesem Grund brachte spät gewonnener Cascade-Hopfen in kaltgehopften Bieren ein tendenziell intensiveres Hopfenaroma mit einer ausgeprägteren Zitrus-Note. Mehr dazu in einem sehr interessanten Artikel von BarthHaas. Über den möglichen Erntezeitraum hinweg verändert sich also nicht nur der Gehalt an Bitterstoffen (tendenziell erhöht), sondern auch das Aromaprofil der Sorten. Während am Anfang der Erntetermine das Aroma eher „schwach und grasig“ ausbleibt, gehen die Aromabonituren bei späteren Terminen in Richtung „volles, harmonisches“ Aroma über, was mit einem zunehmenden Ölgehalt einhergeht. Zu beachten ist dabei, dass sich unter anderem auch die Zusammensetzung des Hopfenöls deutlich verändert. Man sieht also: Die ganze Erntegeschichte ist nicht ganz trivial. Insgesamt wird deutlich, dass es nicht ein einziges enges Zeitfenster als optimalen Erntetermin gibt. Je nach Qualitätsfokus (Bitterkeit oder Aroma) kann dieser bei ganz anderen Zeiten stattfinden. Je nach Hopfensorte (Aroma- oder Bitterhopfen) gibt es Zeitfenster, die auch mal einen Monat auseinander gehen können. Bei dem Thema Erntezeitpunkt sind also immer die Qualitätsanforderungen der jewiligen Brauerei zu berücksichtigen, hauptsächlich eben die sensorischen.
Haltbar bis zum Braukessel: Aufbereitung & Lagerung von Hopfen
Da die frisch gepflückten Hopfendolden mit kurzem Stiel noch ca. 75–80 % Wasser enthalten, werden die Hopfen auf eigenen Hopfendarren unter Anwendung künstlicher Wärme getrocknet. Das ist unbedingt notwendig, denn nur so werden die Dolden überhauot erst lagerfähig und mikrobiologisch ansatzweise haltbar. Die Trocknung der Hopfendolden sollte hierbei innerhalb weniger Stunden erfolgen, um eine Erwärmung des Erntegutes zu verhindern. Wäre mit solch einem hohen Wassergehalt eine höchst unhygienische Angelegenheit., bei der die Dolden eine mehr oder weniger unansehnliche Doldenfarbe und eigenartigen Fremdgeruch annehmen können. Nicht gut. Für die sachgemäße Trocknung sind am Ende mittel-hohe Temperaturen (30–50°C) und ein starker Luftzug erforderlich, um somit eine Schädigung des Hopfens zu vermeiden. Der so getrocknete Hopfen hat danach einen Wassergehalt von ungefähr 8–12%, was die Lagerung etwas zielführender gestaltet. Zur Verpackung wird der Hopfen noch einmal „gereutert“, um somit Zweige, Stiele und andere Verunreinigungen ausreichend zu entfernen. Damit aber noch nicht genug, denn immerhin ist der Hopfen auch jetzt noch nicht über längere Zeit ohne Qualitätsverluste haltbar. Zu erwähnen sind hierbei:
- Einwirkung von Sauerstoff
- Feuchtigkeit
- Wärme
- Licht
Durch dadurch bedingte Oxidationsprozesse, Enzymwirkung und Mikroorganismenwuchs treten eine Reihe von negativen Begleiterscheinungen in Kraft, die für das spätere Brauen natürlich alles andere als vorteilhaft sind.
Zum Beispiel verändert sich das Hopfenöl als Träger des Aromas, die Hopfenbittersäuren verharzen und verlieren an Bitterkraft, die Polyphenole polymerisieren (was die bakteriostatische Funktion des Hopfens im Bier relativ schnell zunichte macht) u.vm. Der Hopfen kann u.U. auch noch einen käsigen Geruch annehmen (z.B. Abspaltung der Valeriansäure aus der α-Säure). Wie dem auch sei, wurde der Hopfen also nach dem heutigen Stand der Technik in rechteckige Ballen auf ein Maß von 60 × 60 × 120 cm3 (432 l) verpackt, geschieht die anschließende Lagerung am besten in gut isolierten, trockenen und optimal gekühlten Lagerräume, wobei 0 °C die Norm wäre. Durch diese effektive, qualitäts- und werterhaltende Kühllagerung kann dem Hopfen (fast) nichts mehr passieren und ist bereit für eine weitere Verwendung als Naturhopfen für den Brauprozess (selten) oder für eine Weiterverarbeitung zu diversen Hopfenprodukten (Pellets, Extrakt, …).
Nicht nur einige positive Begleiterscheinungen im Bier, die wir dem Hopfen zu verdanken haben, auch die Variation an fast unzähligen Hopfenaromen (aktueller Stand: 400) macht diese Brauzutat zu einer sehr interessanten Geschichte. Dryhopping, Hopfengabe, Chemie der wertgebenden Substanzen, Hopfenzüchtung und viele weitere Themenfelder des guten Hopfens bleiben noch offen. Artikel für Artikel wollen wir uns dem Ganzen etwas näher widmen und möchten durch aktuelles Forschugswissen & Praxistipps Klarheit schaffen. Es wird auf jeden Fall interessant!
Zum Nachschlagen
Literatur
Sylvia Kopp (BarthHaas)
https://www.barthhaas.com/blog/blog-detail/das-richtige-timing-bei-der-hopfenernte
Engelhard B., Lutz A., Seigner E.: Hopfen für alle Bier der Welt
2011, 1. Auflage, LFL, Freising, S. 8 ff., S. 47 - 53
Hopfenhelden
https://www.hopfenhelden.de/bierwissen-craft-beer-hopfen/
Deutscher Brauer Bund
https://brauer-bund.de/rohstoffe/hopfenselig/
Kunze: Technologie Brauer & Mälzer
2011, 10. Auflage, VLB, Berlin, S. 60 f. und S. 65 - 69
Kling: Bier selbst gebraut
S. 46 ff.
Narziß L.: Abriss der Bierbrauerei
2017, 8. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 105 - 120
Fischer & Glomb: Moderne Lebensmittelchemie
205, 10. Auflage, Behr´s GmbH, S. 372
Fachliche Fragen?
Gerne nehmen wir fachliche Fragen und Anregungen entgegen.
Haben Sie Fehler entdeckt?
Fehlen relevante Infos?
Haben Sie Fragen?