Bild: Deutscher Brauer Bund e.V.
Martin Öfele
Im heutigen Artikel über die obergärige und untergärige Hefe werden folgende Schwerpunkte geklärt:
✓ Obergärig und Untergärig: Was sind die genomischen/morphologischen Unterschiede?
✓ Geschmackliche Unterschiede
✓ Bierstil Beispiele für beide „Hefearten“
Obergärig und Untergärig: Was ist das?
Obergärig, untergärig. Hört man beim Thema Bier sehr oft und dennoch sind diese Begriffe oft unklar. Hier mal die offizielle Definition laut Biersteuergesetz:
„Als obergärig gelten die mit obergäriger, Auftrieb gebender Hefe hergestellten Biere, als untergärig die mit untergäriger, ausschließlich zu Boden gehender Hefe bereiteten Biere“
Bevor zu den genauen Unterschieden kommen hier als Einstieg nochmal der Grundsatz der Hefe für den Brauprozess:
Unter Gärung sind allgemein Stoffwechselprozesse von Mikroorganismen (hier: Hefe) zu verstehen, die einen Abbau stickstofffreier organischer Substanzen (hier: Zucker) bewirken. In unserem Fall die alkoholische Gärung. Hier werden verschiedene Zuckerarten (hauptsächlich Maltose) durch Hefe unter Wärmeentwicklung in Alkohol und Kohlensäure zerlegt.
Ale vs. Lager
Hefen sind Eukaryonten und enthalten deshalb einen echten Zellkern. Taxonomisch gehören die Hefen zum Reich der Pilze (Fungi). Hierbei sind zwei große Gruppen von Brauerei-Kulturhefen zu unterscheiden, die in ihrem Verhalten grundsätzlich abweichen: die obergärigen Hefen (Saccharomyces cerevisiae) und die untergärigen Hefen (S. pasteurianus). Diese Unterteilung hat auch erheblichen Einfluss auf die Einteilung der Bierstile: Es werden dadurch auch zwei große Biergruppen unterscheiden – Ale (obergärig) – und Lager (untergärig).
Welche genauen Unterschiede nun dahinterstecken (geschmacklich, usw.) und welche Bierstile es da alles gibt, das wird im Folgendem näher erklärt.
Obergärige Hefe: Der Ursprung aller Biere
Während sich in England, aber auch in Belgien und Holland die Obergärung bis Mitte des 20. Jhd. als dominierende Brauweise behauptete, ging in Deutschland die Herstellung dieser Biere auf etwa 7 % des Ausstoßes zurück. Nach dem Krieg nahm das untergärige „Lagerbier“ in England einen starken Aufschwung, gerade in Belgien und Holland sind nur wenige der obergärigen Typen mit geringen Ausstoßanteilen erhalten geblieben. In Deutschland wiederum erfuhren obergärige Biere (Kölsch, Weissbier, Alt, …) nach dem Krieg neue Beliebtheit und machen zumindest > 20 % des Ausstoßes aus.
Verwendung
Obergärige Hefen finden seit min. 4000 Jahren in Anwendung zur Bierbereitung und bilden deshalb vermutlich die „Stammform“ aller Brauereihefen. Neben ihrer Verwendung beim Brauen ist diese Hefen auch an der Gärung von Cider, Wein und Essig und beim Backen beteiligt. Ebenso dienen sie heutzutage bei der Herstellung von Ethanol-Kraftstoff und Cellulose-Ethanol.
Aromabild
Die obergärigen Altbier-, Kölsch-, Ale- und Weizenbierhefen erreichen im Vergleich zu untergärigen Stämmen einen intensivieren Stoffwechsel und damit eine weit höhere Menge an Gärungsnebenprodukten wie z.B. höhere aliphatische Alkohole, aber auch aromatische Alkohole (blumig) und Ester. Letztere sind die Hauptaromaträger des Bieres und werden von obergärigen Hefen vermehrt und vor allem in Weizenbierhefe in hohen Mengen produziert. Die Biere schmecken merklich fruchtig in im Weissbier sogar mit ausgereiftem Banenaroma (Isoamylacetat) im Nachgeschmack.
Die Weizenbierhefe hat darüber hinaus die Eigenschaft Phenole wie 4-Vinyl- guajacol in höheren Mengen zu bilden. Diese Phenole vermitteln den typischen Weizenbiergeschmack, der an Gewürznelken erinnert.
„Ales“ haben dadurch ein komplexeres und meist fruchtigeres Geschmacksbild. Unfeinheiten durch Jungbukettstoffe müssen nicht durch eine allzu lange Lagerung ausgeglichen werden. Gerade beim Weissbier mit hoher Resthefemenge ist eine lange Lagerung und die dadurch entstehende „Hefebittere“ nicht erwünscht.
Sprossverbände
Die obergärige Hefe
Obergärige Hefen (Saccharomyces cerevisiae) bilden zumeist Sprossverbände. Das heißt Mutter- und Tochterzellen verbleiben beieinander und bilden eine Kette aus bis zu 8 Zellen. Durch die entstandene Kohlensäure steigen diese Sprossverbände im Verlauf und am Ende der wärmer geführten (14–25 °C) Gärung nach oben und kann von da wieder gewonnen werden. Deshalb auch der Name obergärig.
Gärtemperaturen
Die obergärigen Hefen verlangen höhere Gärtemperaturen von 14 – 25 °C. Sie sind empfindlich gegen kalte Temperaturen. Dies hat vor allem energetische Vorteile für die Brauerei – die Würzekühlung fällt geringer aus. Auch die Zahl der Führungen zumeist viel größer als bei der Untergärung. Mit einwandfreier Gärleistung und ohne Infektionen sind 5–15 Führungen sind bei obergärigen Bieren üblich.
Bierstile
- Pale Ale, IPA
- Kölsch
- Altbier
- Berliner Weisse
- Weissbier
- Red Ale
- Stout, Porter
- Barley Wine
- Trappistenbier
Untergärige Hefe: Die Neuheit
Entstanden ist die untergärige Hefe (Saccharomyces pastorianus) unter Brauereibedingungen als Hybrid aus der obergärigen Hefe (S. cerevisiae) und einem andere untergärigen Wildtyp (S. eubayanus). Untergärige Hefen blieben dabei bis ca. 1840 fast schon exklusiv den bayerischen Brauereien vorenthalten (neben obergäriger Weizenbierhefe) und wurden dann nach Tschechien und Dänemark „geschmuggelt“. Hintergrund war wohl das in Bayern 1553 ausgerufen „Sommerbrauverbot“. Grund waren die Vermeidung von unreinen & infizierten (Lactobacillus, Fremdhefe, …) Bieren und die Brandgefahr im Sommer in den Mälzereien. Fast alle Biere in Bayern mit Ausnahme des Weissbieres (staatliches Monopol) waren von nun an untergärig, da niedrige Gärtemperaturen gegeben waren. Bei winterlichen Temperaturen bleib die obergärige Hefe dadurch großflächig inaktiv.
Der große Umschwung: Aus den Kellern in den normalen Brauereibetrieb
Ende des 19. Jhd. kam jedoch ein großer Umschwung:
Das Ende des Sommerbrauverbots kam 1865 und ab den 1870ern konnten Brauereien schließlich dank Carl Linde nach und nach auf Kältemaschinen zurückgreifen. Auch dem Forscher Christian Hansen gelang es 1883 in der Carlsberg-Brauerei in Kopenhagen erstmals, einzelne Hefestämme zu isolieren. Dadurch konnte die Hefezucht in Brauereien angewandt und untergärige Hefestämme dadurch gezielt eingesetzt werden.
Viele deutsche Biere waren aufgrund des Sommerbrauverbotes 1553 untergärig. England hingegen entwickelte sich zu einer größtenteils obergärigen Biernation (Porter, Stout, Brown Ale, Pale Ale, usw.)
Ende des 19. Jhd. kam jedoch ein großer Umschwung:
Das Ende des Sommerbrauverbots kam 1865 und ab den 1870ern konnten Brauereien schließlich dank Carl Linde nach und nach auf Kältemaschinen zurückgreifen. Auch dem Forscher Christian Hansen gelang es 1883 in der Carlsberg-Brauerei in Kopenhagen erstmals, einzelne Hefestämme zu isolieren. Dadurch konnte die Hefezucht in Brauereien angewandt und untergärige Hefestämme dadurch gezielt eingesetzt werden.
Verwendung
Der Hefepilz Saccharomyces pastorianus wird zum Brauen von untergärigen Lagerbieren verwendet (auch Lager-Hefe), findet aber auch im wissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel bei der Untersuchung von Teilprozessen der Glykolyse mit neuen Verfahren Verwendung.
Aromabild
Untergärige Biere fallen weitaus „schlanker“ und edler aus. Es werden weniger Gärnebenprodukte (Phenole, höhere Alkohole und Ester) als in den obergärigen Pendants produziert. Grund hierfür dürfte einerseits genomischer Natur sein und andererseits die niedrigeren Gärtemperaturen. Eine Lagerung und dadurch eine Reifung des Bieres wird bei den klaren untergärigen Bieren absolut essentiell. Dies stellt eine Abrundung und Veredelung des Geschmacks, eine Verbesserung des Geruchs sowie eine Hebung der Bekömmlichkeit sicher. Unedle Jungbuketstoffe (Acetaldehyd, Diacetyl, Schwefeldioxid) werden abgebaut und der Estergehalt nimmt dabei drastisch zu.
Sprossverbände
Die untergärige Hefe
Untergärige Hefen (Saccharomyces pastorianus) bilden keine Sprossverbände. Sie kommen also meist als Einzelzellen oder höchstens paarweise vor. Sie bildet im Gegensatz zur obergärigen Hefe keine Sprossverbände, die die entsehende Kohlensäure zum Auftrieb nutzt und setzt sich damit gegen Ende der Gärung zu Boden.
Gärtemperaturen
Die untergärige Hefe gärt normal bei Temperaturen von 5–10 °C und vermag selbst bei 0 °C noch eine Nachgärung zu entwickeln. Sie setzt sich gegen Ende der Gärung zu Boden.
Bierstile
- Helles Lager
- Export
- Münchner Dunkel
- Maibock
- Doppelbock (außer Weizendoppelbock)
- Pilsner
- Wiener Lager
- Märzen / Festbiere
Zum Nachschlagen
Literatur
Dornbusch H.: Lexikon der Biersorten
2017, 1. Auflage, Verlag Hans Carl. Nürnberg, S. 137 - 141
Narziß L.: Abriss der Bierbrauerei
2017, 8. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 231 f. und S. 415 - 419
Raupach M.: Bier: Genuss und Geschichte
2017, 1. Auflage, Elsengold Verlag, Weinheim, S. 79 - 84
Kunze: Technologie Brauer & Mälzer
2011, 10. Auflage, VLB, Berlin, S. 882 f.
Engerth: Die Anwendung der Kälte in der Lebensmittelindustrie
1960, 10. Auflage, Springer, S. 572
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