Martin Öfele
Im heutigen Artikel über das Bayrisch Helle werden folgende Schwerpunkte geklärt:
✓ Das Helle: Geschichte & Entstehung des hellen Lager Bieres
✓ Charakter & brautechnologische Anforderungen
✓ Qualitätskriterien / Praxis
Da ist es: Das bayerisch Helle
Jeder kennt es und jeder liebt es: Das klassische untergärige helle Lagerbier (auch: Helles). Strohgelb, sehr delikat, eher malz- als hopfenbetont und außerordentlich süffig. Eigentlich der perfekte Durstlöscher im Biergarten. Gerade als klares & untergäriges Bier bietet es einen sehr schlanken Charakter, der genau deshalb in der breiten bayerischen Bevölkerung ein Platz im Glas findet.
Woher das Helle eigentlich kommt, was ein Gutes ausmacht und wie die Entstehungsgeschichte ist, das wollen wir etwas näher erläutern. Eines steht fest: Das Münchner Helle ist eines der wenigen Biere, die nicht aus einer braukulturellen Geschichte entstammen, sondern – genau wie das Pilsner – einen festen Geburtstag hat.
Das Helle und seine Geschichte
Hintergründe für eine späte Erfindung
Bei diesem bekannten Bierstil handelt es sich ganz und gar nicht um einen historischen Trunk aus dem Mittelalter o.ä. Das Helle ist also eine „Brauneuheit“, wenn man bedenkt, dass schon lange vor Christus Bier gebraut wurde. Das liegt unter anderem daran, dass die Kältemaschine durch Carl Linde erst ab 1873 nach und nach seine Wege in die (Brau-)Industrie fand. Zwar bediente man sich durch das damalige Brauverbot zwischen April und September automatisch an kühlere Temperaturen für eine untergärigen Brauweise, jedoch mit folgendem Problem: Ganzjährig untergärig konnte nur schwer gebraut werden, weshalb größtenteils entweder stärker eingebraut wurde (andere Bierstile) oder das bereits 1842 erschienene Pilsner den untergärigen Biermarkt eroberte und getrunken wurde.
Zum anderen ist auch das helle Malz eine sehr junge Erfindung, gerade im deutschsprachigen Raum. Seit jeher war es üblich, Malz direkt & effektiv auf Siebböden über offener Flamme (Holz, Holzkohle, Stroh) zu darren. Das Malz war oft bräunlich, teils schwarz und die Biere somit fast immer in der Schattierung bräunlich und dunkel. Röstaromen prägten immer wieder das Aromaspekterum alter Biere, was oft nicht erwünscht war. Andere Verfahren (z.B. Lufttrocknen) waren teuer & ineffektiv. Erst 1713 kam es zur Erfindung von Koks als „saubere“ Hitzequelle und schließlich 1842 die Verwendung von Dampf als indirekte Erhitzungsquelle für die Darren (Pneumatik) in der Mälzerei.
Chronik
Die ersten Testsude der Biersorte des bayerischen Hellen wurden 1893 in der Spaten Brauerei gebraut. Die hell-bayerische Innovation war eine Antwort auf das seit 1842 gebraute Pilsner aus dem benachbarten Böhmen. Dieses beanspruchte in kürzester Zeit unaufhaltsam den europaweiten Biermarkt – einschließlich in der traditionsbewussten Bierstadt München, in der stets Dunkles getrunken wurde. Ein erster Versuch eines deutschen Konkurrenten zum böhmischen Pilsner war bereits 1872 in der Aktienbrauerei zum Bierkeller in Radeberg gelungen: Das deutsche Pils, welches mit härterem Wasser gebraut wurde und im Antrunk stets aggressiver gehopft war.
Am 21. März 1894 kamen aber endlich die ersten Sude der bayerischen Adaption des Blonden aus Böhmen auf den Biermarkt: Die ersten gut gelagerten Fässer der Spaten Brauerei wurden zu Markte geschickt – jedoch keineswegs in ihrer Bierstadt München. Zu groß war das Risiko, dass ein weiteres untergäriges helles Bier in München keinen Bestand hat. Nachdem das Helle schließlich im hanseatischen Milieu den Verbrauchertest bestanden hatte, durften die Münchener erstmals am 20. Juni 1895 den neuen Trunk in den Bierkellern servieren, und zwar als Flaschenbier unter der Etikettenbezeichnung Helles Lager Bier“. Das Helle war geboren.
Charakter des Hellen
Ein bayrisch Helles ist, im Gegensatz zum leicht ins Goldene neigende böhmische Pilsner, stets strohgelb und etwas malziger. Mit einem Alkoholgehalt von 4,5 Vol.% – 5,5 Vol.% ein eher gemäßigteres Bier.
Die helle Malzschüttung könnte nicht einfacher sein: Pilsmalz. Bei Bedarf können ggf. auch helle Karamellmalze für die Vollmundigkeit hinzugegeben werden.
Bei der Hopfung ist stets ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen angenehmer Hopfenbittere, -aroma und einem erkennbar angenehmen Malzaroma das Ziel. Für ein klares und abgerundetes Helles muss sensorisch also beides gleichermaßen seinen Platz finden, denn genau dieser Ausgleich macht ein gutes Helles aus. Im Bereich von 14-22 BE hat aber immer noch einen relativ großen Spielraum.
Mehr Tipps zur Hopfung und vieles mehr rund um den hellen Klassiker könnt ihr in einem kurzen Video von Braumeister Markus Hoppe. Sehr empfehlenswert (siehe hier).
Die Hefe ist stets untergärig. Keine Sprossverbände also, wodurch die Hefe durch die entstandene die Kohlensäure bei der Gärung eben nicht „hochschwimmt“, sondern sich letztlich am Bottichboden absetzt. Nicht nur durch die spez. biochemischen Eigenschaften der untergärigen Hefe, sondern auch durch die langsame und kühle Gärung werden wenig Gärnebenprodukte produziert. Eine lange, aber „schonende“ Gärung, welche ein sehr angenehmes Bier ohne Ecken und Kanten verspricht.
Hell, schlank & klar: Schweres Brau-Unterfangen
So einfach die Rezeptur auch scheint, so technologisch anspruchsvoll ist eine gleichbleibende und zufriedenstellende Qualität beim Hellen. Sowohl das, nach gekochtem Kohl erinnernde, DMS (DMS-Vorläufer unzureichend abgedampft oder Neubildung durch nachträgliches Erwärmen) oder das Acetyaldehyd (Sauerstoffzufuhr nach der Bierlagerung beim Schlauchen), welches nach grünem Apfel zu schmecken vermag, werden durch den sehr schlank gehaltenen Charakter des Hellen nicht ausgeglichen. Bierfehler werden also vom Konsumenten einfacher herausgeschmeckt und qualitativ weniger verziehen. Mehr als sonst sind also eine hygienische und technologisch durchdachte Brauweise gefordert.
Der Aufwand lohnt sich aber, denn am Ende hat man idealerweise seine hellgelbe Bierkreation, ein süffig-frisches Meisterwerk edler Braukunst, welches sich durch seine besondere Reinheit in Geschmack und Farbe auszeichnet. Perfekt für eine Brotzeit unter einer schattigen Kastanie bei freiem Himmel im Biergarten.
Zum Nachschlagen
Literatur
Dornbusch H.: Biersorten der Brauwelt
2016, 2. Auflage, Verlag Hans Carl. Nürnberg, S. 168 ff.
Dornbusch H.: Lexikon der Biersorten
2017, 1. Auflage, Verlag Hans Carl. Nürnberg, S. 116 - 120
Narziß L.: Abriss der Bierbrauerei
2017, 8. Auflage, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, S. 399
Hopfenhelden
https://www.hopfenhelden.de/bierstil-guide-helles/
Kunze: Technologie Brauer & Mälzer
2011, 10. Auflage, VLB, Berlin, S. 882 f.
Annemüller: Die Hefe in der Brauerei
2014, 3. Auflage, VLB Berlin, S. 19 - 23
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